a) Der für die Zulässigkeit der Werbung für eine ärztliche Fernbehandlung maßgebliche Begriff der „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ im Sinne von § 9 Satz 2 HWG ist unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen.

b) Die für einen geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsgefahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. In dem Umfang, in dem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch über eine zulässige Verallgemeinerung hinausgeht, fehlt es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch ist in diesem Umfang unbegründet und der Klageantrag insoweit abzuwei-sen, sofern auch greifbare Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr fehlen.

BGH URTEIL I ZR 146/20 vom 9. Dezember 2021 – Werbung für Fernbehandlung

UWG §§ 3a, 8 Abs. 1 Satz 1; HWG § 9; BGB § 630a Abs. 2; MBO-Ä § 7 Abs. 4

a) Der für die Zulässigkeit der Werbung für eine ärztliche Fernbehandlung maßgebli-che Begriff der „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ im Sinne von § 9 Satz 2 HWG ist unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizi-nischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen.

b) Die für einen geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verlet-zungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsgefahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. In dem Umfang, in dem der gel-tend gemachte Unterlassungsanspruch über eine zulässige Verallgemeinerung hin-ausgeht, fehlt es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsan-spruch ist in diesem Umfang unbegründet und der Klageantrag insoweit abzuwei-sen, sofern auch greifbare Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr fehlen.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 7. Oktober 2021 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Odörfer und die Richterin Wille
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des wei-tergehenden Rechtsmittels das Urteil des Oberlandesgerichts Mün-chen – 6. Zivilsenat – vom 9. Juli 2020 im Kostenpunkt und im Übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Mün-chen I, 33. Zivilkammer, vom 16. Juli 2019 im Kostenpunkt auf-gehoben und im Übrigen in der Weise abgeändert, dass im Tenor des vorbezeichneten Urteils unter Ziffer I das Wort „insbeson-dere“ entfällt und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. Die Beklagte, die Holdinggesellschaft eines Krankenversicherers, warb im Jahr 2017 auf ihrer Internetseite für ein Angebot ihrer Tochtergesellschaft o. Krankenversicherung AG. Gegenstand der Werbung war ein sogenannter digita-ler Arztbesuch, bei dem Versicherten über eine Smartphone-App die Möglichkeit eröffnet wurde, Kontakt zu Ärzten der in der Schweiz ansässigen e. AG aufzunehmen. In der Werbung hieß es auszugsweise:
Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krank-schreibung per App.
Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen gemäß § 3a UWG in Verbindung mit § 9 HWG. Die Beklagte hält dem entgegen, die beworbene Fernbehandlung werde von erfahrenen Ärz-ten der e. AG erbracht und sei in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt. Sie beschränke sich zudem auf die Beratung bei allgemeinen medizinischen Problemen, bei denen ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient nicht erforderlich sei.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Erstattung von pauschalen Abmahnkos-ten in Höhe von 267,50 € in Anspruch genommen sowie beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland für ärztliche Fernbe-handlungen in Form eines digitalen Arztbesuchs zu werben, wobei mittels einer App in Deutschland lebenden Patienten, die bei der o. Krankenversicherung AG krankenversichert sind, angeboten wird, über ihr Smartphone von Ärzten, die im Ausland sitzen, Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu er-langen, insbesondere wenn das geschieht wie nachfolgend eingelichtet und aus An-lage KR 1a ersichtlich:
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[Es folgen 16 von der Klägerin als Anlage KR 1a eingereichte Screenshots, die die Werbung der Beklagten für den digitalen Arztbesuch zeigen, unter anderem mit folgenden Werbeaussagen:
Bleib einfach im Bett, wenn Du zum Arzt gehst. … Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App. … Alles per App – Diagnosen, Therapieempfehlung, Krank-schreibung. … Hochqualifiziertes Ärzteteam. Mit der e. -App ist der Arzt immer dabei. Die e. -Ärzte sind erfahrene Allgemein- und Notfallmediziner.
So einfach geht der Digitale Arztbesuch. Unser Kollege Max, der auch bei o. versichert ist, hat in seinem letzten Urlaub einen Digitalen Arztbesuch genutzt und ihn für uns dokumentiert. … Max verletzt sich im Urlaub am Fuß. Er hat starke Schmerzen und einen Bluterguss am Zehennagel. Er weiß nicht genau, an wen er sich vor Ort wenden kann und kontaktiert den o. Concierge. … Der Concierge erklärt Max, dass er alternativ zum traditionellen Arztbesuch den Digitalen Arztbe-such per App des Schweizer Anbieters e. AG nutzen kann und schickt ihm bei Interesse einen Zugangscode. Max verbindet sich jetzt per Video mit einer in der Schweiz ansässigen Ärztin. o. ist nicht Anbieter des Digitalen Arztbesuchs, sondern vermittelt lediglich den Kontakt zu den Schweizer Ärzten der e. AG, mit denen auch der Behandlungsvertrag zustande kommt. … Die Ärztin lässt sich die Beschwerden schildern und Max zeigt ihr per Video den Bluterguss am Zeh. Sie empfiehlt Max Schmerzmittel, eine abschwellende Salbe und eine erneute Konsultation, sollten die Schmerzen länger als drei Tage anhalten. Drei Tage später geht es Max wieder super. Der Fuß tut nicht mehr weh und er hat seine Urlaubszeit nicht auf der Suche nach einem Arzt verschwendet. Der gesamte Vorfall wurde übersichtlich in der e. App dokumentiert.] Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG München I, WRP 2019, 1621). Mit der dagegen gerichteten Berufung hat die Beklagte die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin hat die Zurückweisung der Berufung beantragt und hilfsweise die Berufungszurückweisung mit der Maßgabe begehrt, im Verbotsausspruch das Wort „insbesondere“ zu streichen. Das Berufungsge-richt hat die Berufung vollständig zurückgewiesen (OLG München, WRP 2020, 1498). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klageanträge seien gemäß § 3a UWG wegen Verstoßes gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen im Sinne von § 9 HWG begründet. Der nicht auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkte Unterlassungs-hauptantrag sei auf das Verbot einer pauschalen Werbung für Fernbehandlungen als universelle Methode – von der Diagnose über die Therapieempfehlung bis zur Krankschreibung – gerichtet. Beanstandet werde die Anpreisung eines digitalen Primärversorgungsmodells, bei dem in Deutschland befindliche Patienten durch ausländische Ärzte Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen erhalten könnten, ohne dass sie hierfür zum Arzt gehen müssten. Eine solche Werbung verstoße gegen das Werbeverbot gemäß § 9 HWG, ohne dass es auf die Frage ankomme, ob die beworbene Dienstleistung der im Ausland ansässi-gen Ärzte nach dem ausländischen oder nach dem deutschen Recht zulässig sei. Es sei deshalb unerheblich, dass die Muster-Berufsordnung für die in Deutsch-land tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) während des vorliegenden Rechts-streits geändert und die zuvor verbotene ausschließliche Beratung oder Behand-lung über Kommunikationsmedien im Einzelfall nunmehr unter bestimmten Vor-aussetzungen erlaubt sei. Die Werbung der Beklagten sei auch nicht durch die mit Wirkung ab dem 19. Dezember 2019 erfolgte Änderung des § 9 HWG zuläs-sig geworden, mit der die Werbung für Fernbehandlungen im Einzelfall unter be-stimmten Voraussetzungen erlaubt worden sei. Auch nach dieser Änderung sei die Bewerbung eines telemedizinischen Primärarztmodells, wie es im Streitfall von der Beklagten beworben worden sei, nach wie vor unzulässig.
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B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat zum Teil Erfolg. Das vom Berufungsgericht gemäß dem Hauptantrag ausgesprochene Verbot ist zu weitgehend; es fehlt an einer entsprechenden Begehungsgefahr (dazu B I). Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung hält allerdings der rechtlichen Nachprüfung stand, soweit sie auf die beanstandete Werbung in ihrer konkreten Verletzungsform bezogen ist (dazu B II). Der auf Abmahnkostenersatz gerichtete Zahlungsanspruch ist ebenfalls begründet (dazu B III).
I. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Verurteilung der Beklag-ten nach dem Unterlassungshauptantrag.
1. Anders als der in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag ist der Hauptantrag der Klägerin auf ein abstraktes Verbot gerichtet. Das Berufungsge-richt ist in zutreffender Auslegung des Antrags davon ausgegangen, dass der nicht auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkte Unterlassungshauptan-trag auf das Verbot einer pauschalen Werbung für Fernbehandlungen als univer-selle Methode – von der Diagnose über die Therapieempfehlung bis zur Krank-schreibung – gerichtet ist. Beanstandet wird die Anpreisung eines digitalen Pri-märversorgungsmodells, bei dem in Deutschland befindliche Patienten durch ausländische Ärzte Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen erhalten könnten, ohne dass sie hierfür zum Arzt gehen müssen.
2. Mit Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe der Klägerin damit jedenfalls ein zu weitreichendes Verbot zugesprochen, indem es den Un-terlassungstenor nicht auf die konkrete Werbung begrenzt, sondern davon zu weitgehend abstrahiert habe. Für das vom Berufungsgericht ausgesprochene, von dem konkret beworbenen Angebot der Beklagten abstrahierende Verbot fehlt es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr.
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a) Die für den im Streitfall geltend gemachten Verletzungsunterlassungs-anspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsge-fahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlun-gen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Aus-druck kommt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 – I ZR 92/14, GRUR 2016, 395 Rn. 38 = WRP 2016, 454 – Smartphone-Werbung, mwN). In dem Umfang, in dem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch über eine zulässige Verallgemeinerung hinausgeht, fehlt es an der erforderlichen Wieder-holungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch ist in diesem Umfang unbegründet und der Klageantrag insoweit abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2000 – I ZR 186/98, GRUR 2001, 446 [juris Rn. 16] = WRP 2001, 392 – 1-Pfennig-Farbbild; Urteil vom 14. November 2002 – I ZR 137/00, GRUR 2003, 446 [juris Rn. 25 f.] = WRP 2003, 509 – Preisempfehlung für Sondermodelle; Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 41 = WRP 2016, 581 – Wir helfen im Trauerfall; Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, 3. Aufl., § 8 UWG Rn. 62).
b) Nach diesen Grundsätzen fehlt es für den Unterlassungshauptantrag an der erforderlichen Begehungsgefahr. Er umfasst Verhaltensweisen, die von der im Streitfall in Rede stehenden konkreten Verletzungshandlung in erheblicher Weise abweichen und über das Charakteristische der konkreten Verletzungsform hinausgehen, so dass keine Wiederholungsgefahr besteht. Auch greifbare An-haltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr liegen nicht vor.
aa) Der abstrakte Hauptantrag der Klägerin bezieht sich auf über eine App erbrachte Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen durch
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Ärzte, die im Ausland sitzen. Charakteristisch für das von der Beklagten bewor-bene Fernbehandlungsangebot per App ist jedoch, dass die Fernbehandlung von in der Schweiz ansässigen Ärzten erbracht werden soll. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist dieses Modell gewählt worden, weil eine solche Fernbehand-lung in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt sei und die Qualifikation von Schweizer Ärzten derjenigen der in Deutschland praktizierenden Ärzte entspre-che. Die Beklagte hat in ihrer Internetwerbung auch ausdrücklich darauf hinge-wiesen, dass die Fernbehandlung durch Schweizer Ärzte erbracht wird, die er-fahrene Allgemein- oder Notfallmediziner seien und einem hochqualifizierten Ärz-teteam angehörten. Das Berufungsgericht hat keine greifbaren tatsächlichen An-haltspunkte dafür festgestellt, dass die Beklagte in Zukunft auch für Fernbehand-lungen durch ausländische Ärzte werben wird, obwohl diese weder das für deut-sche Ärzte anzunehmende Qualifikationsniveau erreichen noch die Fernbehand-lung nach dem vor Ort geltenden Recht erlaubt und das erfahrungsgemäß zu erwartende videotechnische Ausstattungsniveau mit dem in der Schweiz ver-gleichbar ist. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Es kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Begehungsgefahr einer der abstrahierenden Antragsfassung ent-sprechenden Werbung durch die Beklagte besteht.
bb) Die Beklagte hat zudem – abweichend vom abstrakt gefassten Unter-lassungshauptantrag – nicht pauschal damit geworben, dass ihre Tochtergesell-schaft ihren Kunden für jedes Leiden ohne Weiteres ärztliche Diagnosen, Thera-pieempfehlungen und Krankschreibungen per App anbietet. Aus dem in der Wer-bung wiedergegebenen Fallbeispiel des „Kollegen Max“ ergibt sich vielmehr, dass ein Patient zunächst Kontakt zu einem Concierge aufnimmt, der ihm erklärt, dass er alternativ zum traditionellen Arztbesuch die App des Schweizer Anbieters e. AG nutzen könne, und der ihm den dafür erforderlichen Zugangscode
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erst bei entsprechendem Interesse zuschickt. Es sind wiederum keine greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dafür festgestellt worden noch ersichtlich, dass die Beklagte in der Zukunft für einen digitalen Arztbesuch per App werben wird, bei dem der Patient direkt Kontakt zu einem Arzt aufnehmen kann.
II. Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung nach dem in der Beru-fungsinstanz gestellten Hilfsantrag hält allerdings im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Im Umfang des Charakteristischen der konkreten Verlet-zungsform besteht nach den allgemeinen Grundsätzen Wiederholungsgefahr.
1. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Klägerin jedenfalls eine Un-tersagung der konkreten Verletzungsform begehrt.
a) Geht ein Unterlassungsantrag über eine zulässige Verallgemeinerung hinaus, kann ein Verbot in Bezug auf die konkrete Werbemaßnahme ausgespro-chen werden, wenn der Klage zu entnehmen ist, dass jedenfalls diese untersagt werden soll. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Kläger mit einem Ins-besondere-Zusatz im Klageantrag zum Ausdruck gebracht hat, dass er jedenfalls die Untersagung der beanstandeten Werbung in ihrer konkreten Ausgestaltung erstrebt (BGH, GRUR 2001, 446 [juris Rn. 16] – 1-Pfennig-Farbbild; GRUR 2016, 516 Rn. 41 – Wir helfen im Trauerfall).
b) So liegt es hier. Die Klägerin hat die konkrete, in Screenshots abgebil-dete Internetwerbung der Beklagten durch den Insbesondere-Zusatz in ihrem Un-terlassungshauptantrag und zudem auch ausdrücklich durch einen in der Beru-fungsinstanz gestellten entsprechenden Hilfsantrag zum Gegenstand ihres Un-terlassungsbegehrens gemacht.
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2. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unter-lassungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung [aF, vgl. § 15a Abs. 1 UWG], § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 9 HWG) liegen vor.
Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass es sich bei der Regelung gemäß § 9 HWG um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt und ein Verstoß geeignet ist, die Interessen der Verbrau-cher spürbar zu beeinträchtigen. Das dort geregelte Verbot der Werbung für Fernbehandlungen dient dem Schutz der öffentlichen Gesundheit (zu § 6 Abs. 2 HWG aF vgl. die Begründung der Regierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens, BT-Drucks. IV/1867, S. 9; Bülow/Ring in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl., § 9 Rn. 1; Doepner/Reese in BeckOK.HWG, 6. Edition, Stand: 1. August 2021, § 9 Rn. 27 bis 31). Damit steht gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG, wonach diese Richtlinie die Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesund-heits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt lässt, zudem die mit die-ser Richtlinie grundsätzlich bezweckte vollständige Harmonisierung der unlaute-ren Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern der Verfol-gung eines Verstoßes gegen § 9 HWG unter dem Gesichtspunkt des Rechts-bruchs gemäß § 3a UWG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 235/16, GRUR 2021, 628 Rn. 14 = WRP 2021, 615 – Apothekenmus-ter II).
3. Die Werbung der Beklagten für den „Digitalen Arztbesuch“ per App ver-stößt gegen § 9 HWG in seiner alten und in seiner ab dem 19. Dezember 2019 geltenden neuen Fassung.
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a) Die Bestimmung des § 9 HWG ist durch Art. 5 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und In-novation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2562) mit Wirkung vom 19. Dezember 2019 geändert worden. Da der Unter-lassungsantrag nur begründet ist, wenn das beanstandete Verhalten der Beklag-ten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme im Jahr 2017 als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2021, 628 Rn. 13 – Apothekenmuster II, mwN), ist zu prüfen, ob die bean-standete Werbung der Beklagten sowohl nach der Bestimmung des § 9 HWG aF (dazu B II 3 b) als auch unter den Voraussetzungen des § 9 HWG nF (dazu B II 3 c) unzulässig ist.
b) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die an-gegriffene Werbung der Beklagten zum Zeitpunkt der Vornahme im Jahr 2017 gegen § 9 HWG aF verstieß.
aa) Gemäß § 9 HWG aF ist eine Werbung für die Erkennung oder Behand-lung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung), unzulässig.
bb) Diese Voraussetzungen für ein Werbeverbot sind im Streitfall erfüllt.
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Sinne von § 9 HWG aF geworben. Die Werbung umfasse das an die in Deutschland ansässigen Kunden der o. Krankenversicherung AG gerichtete Angebot, über eine Smartphone-App per Videoverbindung von in der Schweiz ansässigen Ärzten Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erhalten. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
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(2) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die bewor-bene Videosprechstunde beim Arzt als ein ärztliches Handeln angesehen, das im Sinne von § 9 HWG nicht auf eigener Wahrnehmung des Arztes beruhe. Die-ses Merkmal sei etwa bei einem bloßen Briefkontakt erfüllt, es könne jedoch keine Rede davon sein, dass ein Arzt den Patienten bei einer Videosprechstunde nicht wahrnehme. Die Auslegung des Berufungsgerichts überschreite deshalb die Grenze des Gesetzeswortlauts. Da das Werbeverbot im Sinne von § 9 HWG gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 6 HWG eine Ordnungswidrigkeit darstelle, habe das Be-rufungsgericht mit seiner den Wortsinn des § 9 HWG aF überschreitenden Aus-legung gegen das Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Mit die-ser Rüge hat die Revision keinen Erfolg.
(3) Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG scheidet aus. Das dort für den Bereich des Strafrechts und in § 3 O-WiG auch für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts statuierte Be-stimmtheitsgebot schlägt dann auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung durch, wenn die Marktverhaltensregelung, auf die wettbewerbsrechtliche Ansprüche ge-mäß § 3a UWG gestützt werden, selbst eine Vorschrift des Straf- oder Ordnungs-widrigkeitenrechts ist. Soweit dagegen die Einhaltung einer Marktverhaltensre-gelung, die – wie im Streitfall – selbst keine solche straf- oder bußgeldrechtliche Vorschrift ist, durch eine (Blankett)Norm des (Neben)Strafrechts oder des Ord-nungswidrigkeitenrechts sanktioniert ist, gilt Art. 103 Abs. 2 GG für die Marktver-haltensregelung nur insoweit, als ein Gericht sie in Verbindung mit der Straf- oder Bußgeldnorm zur Verurteilung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit an-wendet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 161/11, GRUR 2013, 857 Rn. 18 = WRP 2013, 1024 – Voltaren, mwN). Das ist hier nicht der Fall.
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(4) Aber auch ein Auslegungsfehler des Berufungsgerichts liegt nicht vor. Der Begriff der Wahrnehmung erfasst nicht nur – grundsätzlich auch im Wege einer Videoübertragung vermittelbare – optische und akustische Sinnesein-drücke. Vom Wortsinn des Begriffs umfasst sind vielmehr auch die nur bei einer gleichzeitigen physischen Präsenz von Arzt und Patient anwendbaren ärztlichen Untersuchungsmethoden der Betastung, Abhorchung und Beklopfung sowie die Untersuchung mit anderen medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispiels-weise Ultraschall (Doepner/Reese in BeckOK.HWG aaO § 9 Rn. 28 und 61). Der Kontext mit dem in der Vorschrift legaldefinierten Begriff der Fernbehandlung ver-deutlicht, dass es in § 9 HWG um eine eigene Wahrnehmung im Rahmen einer unmittelbaren physischen Präsenz von Arzt und Patient geht (vgl. Bülow/Ring aaO § 9 Rn. 5).
cc) Der Anwendung des § 9 HWG aF steht im Streitfall kein zwingendes Unionsrecht entgegen. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die mit der Richt-linie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarznei-mittel angestrebte vollständige Harmonisierung im Bereich des Arzneimittelwer-berechts untersage den Mitgliedstaaten ein Verbot von Echtzeit-Videokonsultati-onen.
(1) Allerdings ist mit der Richtlinie 2001/83/EG die Arzneimittelwerbung vollständig harmonisiert worden (EuGH, Urteil vom 8. November 2007 C374/05, Slg. 2007, I9517 = GRUR 2008, 267 Rn. 20 bis 39 Gintec; BGH, Beschluss vom 20. Februar 2020 I ZR 214/18, GRUR 2020, 659 Rn. 18 = WRP 2020, 722 Gewinnspielwerbung I, mwN). Dieser Richtlinie lassen sich jedoch keine Anforderungen an eine Werbung für eine umfassende, die Diagnose, The-rapie und Krankschreibung einschließende ärztliche Fernbehandlung entneh-men, wie sie hier vorliegt. Zwar ergeben sich aus Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG Anforderungen an eine Arzneimittelwerbung für die Behandlung auf
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dem Korrespondenzweg. Eine Werbung für eine ärztliche Fernbehandlung per App, wie sie im Streitfall in Rede steht, fällt jedoch nicht in den Anwendungsbe-reich dieser Bestimmung.
(2) Gemäß Art. 90 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG darf die Öffentlich-keitswerbung für ein Arzneimittel keine Elemente enthalten, die eine ärztliche Un-tersuchung oder einen chirurgischen Eingriff als überflüssig erscheinen lassen, insbesondere dadurch, dass sie eine Diagnose anbieten oder eine Behandlung auf dem Korrespondenzwege empfehlen. Soweit die Werbung für eine Behand-lung mit einem Arzneimittel auf dem Korrespondenzweg betroffen ist, ist das Fernwerbeverbot im Sinne von § 9 HWG von der Bestimmung des Art. 90 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG abgedeckt (vgl. Bülow/Ring aaO § 9 Rn. 4; Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 3. Aufl., § 9 HWG Rn. 1; Gröning in Gröning/Mand/Reinhart, Heilmittelwerberecht, Stand August 1998, § 9 HWG Rn. 2; Sigl-müller, Rechtsfragen der Fernbehandlung, 2020, S. 221 bis 223; Zimmermann in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Aufl., § 28 Rn. 102). Soweit allerdings – wie im Streitfall – für das Verfahren einer umfassenden, die Diagnose, Therapie und Krankschreibung einschließenden ärztlichen Fernbehandlung ge-worben wird, sind die in der Richtlinie 2001/83/EG für die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel aufgestellten Anforderungen nicht maßgeblich.
(3) Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG regelt, welche Elemente die Öffent-lichkeitswerbung für ein Arzneimittel nicht enthalten darf. Als Werbung für Arz-neimittel gelten nach Art. 86 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von An-reizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Ver-brauch von Arzneimitteln zu fördern; dabei umfasst sie gemäß Art. 86 Abs. 1 Halbsatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83/EG insbesondere die
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Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel. Nach Art. 86 Abs. 2 vierter Gedanken-strich der Richtlinie 2001/83/EG fallen hingegen Informationen über die Gesund-heit oder Krankheiten des Menschen, sofern darin nicht, auch nicht in indirekter Weise, auf ein Arzneimittel Bezug genommen wird, nicht unter den Begriff der Werbung.
(4) Die im Streitfall in Rede stehende Werbung fällt bereits nicht unter den Begriff der Arzneimittelwerbung im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG.
Der die Werbung für Arzneimittel betreffende Titel VIII der Richtlinie 2001/83/EG, zu dem Art. 86 der Richtlinie 2001/83/EG gehört, regelt die Wer-bung für bestimmte Arzneimittel (EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 C190/20, GRUR 2021, 1325 Rn. 20 = WRP 2021, 1277 DocMorris NV/Apothekenkammer Nordrhein). Bei einer Werbung, die nicht darauf abzielt, den Patienten in der Ent-scheidung für ein bestimmtes Arzneimittel zu beeinflussen, handelt es sich daher nicht um eine Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel (EuGH, GRUR 2021, 1325 Rn. 21 DocMorris/Apothekenkammer Nordrhein).
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte nicht im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG für ein Arzneimittel geworben, indem sie im Sinne von Art. 90 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG auf dem Korrespondenz-weg eine Behandlung mit einem Arzneimittel empfohlen hat. Weder wird in der beanstandeten Werbung ein konkretes Arzneimittel oder dessen Hersteller in Be-zug genommen, noch kann der angesprochene Verkehrskreis aus den Umstän-den der Werbung einen Rückschluss auf ein solches Arzneimittel ziehen. Die angegriffene Werbung der Beklagten preist vielmehr unabhängig von einem kon-kreten Arzneimittel eine umfassende, die Diagnose, Therapie und Krankschrei-bung einschließende ärztliche Fernbehandlung per App an. Dem steht nicht ent-gegen, dass in der Werbung der Beklagten auch die Behandlung mit einem
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Schmerzmittel und einer abschwellenden Salbe erwähnt wird („[Die per App kon-sultierte Ärztin] empfiehlt Max Schmerzmittel, eine abschwellende Salbe und eine erneute Konsultation.“). Dass der angesprochene Verkehr darin nicht nur eine beispielhafte Erläuterung des möglichen Ablaufs der durch die Beklagte vermit-telten Fernbehandlung sieht, sondern eine Anpreisung von individualisierbaren Arzneimitteln erkennt, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und liegt nach der Lebenserfahrung fern. Abweichendes macht auch die Revision nicht geltend.
dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist § 9 HWG aF nicht einschrän-kend dahingehend auszulegen, dass eine berufsrechtlich zulässige Fernbehand-lung generell nicht dem Werbeverbot dieser Bestimmung unterfällt.
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, es komme nicht auf die zwi-schen den Parteien streitige Frage an, ob sich die Tätigkeit der ausländischen Ärzte nach den – inhaltlich nicht einheitlich gefassten – Berufsordnungen der Lan-desärztekammern in Deutschland oder nach dem Recht des Landes richte, in dem die behandelnden Ärzte ansässig seien. Das Werbeverbot gemäß § 9 HWG aF sei nicht akzessorisch in dem Sinne, dass es die berufsrechtliche Un-zulässigkeit der beworbenen Behandlung voraussetze. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
(2) Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht bereits der eindeu-tige Gesetzeswortlaut. § 9 HWG aF regelt allein das Verbot der Werbung für eine Fernbehandlung. Die Unzulässigkeit der Fernbehandlung selbst wird mit keinem Wort erwähnt, geschweige denn zur Voraussetzung für das Werbeverbot ge-macht.
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(3) Gegen eine Abhängigkeit des Werbeverbots von der berufsrechtlichen Unzulässigkeit der beworbenen Fernbehandlung spricht zudem der Sinn und Zweck des § 9 HWG aF, so dass eine teleologische Reduktion seines Anwen-dungsbereichs durch ein ungeschriebenes Merkmal der berufsrechtlichen Unzu-lässigkeit der Fernbehandlung nicht in Betracht kommt.
Das Werbeverbot im Sinne von § 9 HWG aF zielt auf den Schutz der öf-fentlichen Gesundheit und individueller Gesundheitsinteressen (Bülow/Ring aaO § 9 Rn. 1). Es beruht auf dem Gedanken, dass die Fernbehandlung ein beson-deres Gefahrenpotential für die Gesundheit birgt und es sich bei der Fernbehand-lung um eine verkürzte und damit grundsätzlich bedenkliche Behandlungsform handelt, für die werbliche Anreize umfassend ausgeschlossen werden sollen (Braun, MedR 2018, 563, 565 mwN). Es soll verhindert werden, dass einer nicht auf persönlicher Inaugenscheinnahme und Untersuchung des Patienten durch den Arzt beruhenden Fernbehandlung durch Werbung Vorschub geleistet wird (Zimmermann in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser aaO § 28 Rn. 100). Damit ist das in der Fernbehandlung selbst liegende Gefahrenpotential zwar Anlass, nicht aber Voraussetzung für das Werbeverbot gemäß § 9 HWG. Die Vorschrift formuliert vielmehr einen abstrakten Gefährdungstatbestand (KG, GRUR-RS 2019, 40959 Rn. 16 f.; Pfohl in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Mai 2021, § 9 HWG Rn. 1; Bülow/Ring aaO § 9 HWG Rn. 1; Braun, MedR 2018, 563, 565 mwN). Das Werbeverbot dient dem Gesundheitsschutz unabhängig von der be-rufsrechtlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der beworbenen Fernbehand-lung, weil die Werbung für sich genommen eine Gesundheitsgefahr begründen kann. So kann eine Werbung für eine Fernbehandlung auch oder gerade dann die Gesundheitsbelange eines Kranken beeinträchtigen, wenn die beworbene Fernbehandlung tatsächlich nicht oder von einer Person durchgeführt wird, die – wie unseriöse Anbieter oder Scharlatane – nicht an berufsrechtliche Regelungen
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gebunden sind. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sich ein Kranker auf-grund der Werbung zunächst an jemanden wendet, der ihm vermeintlich eine Fernbehandlung anbietet, wodurch möglicherweise wertvolle Zeit verloren wird (vgl. Doepner/Reese in BeckOK.HWG aaO § 9 Rn. 30 mwN; KG, GRUR-RS 2019, 40959 Rn. 17). Das Werbeverbot trägt damit der Erkenntnis Rechnung, dass sich gerade die Anonymität einer Fernbehandlung für die Tätigkeit nicht se-riös arbeitender „Heilkundiger“ anbietet (Gröning in Gröning/Mand/Reinhart aaO § 9 HWG Rn. 3 mwN).
Ein solches Ergebnis wäre auch mit dem allgemeinen Zweck des Heilmit-telwerbegesetzes nicht vereinbar. Durch die darin geregelten Werbeverbote will der Gesetzgeber in erster Linie Gefahren begegnen, die der Gesundheit des Ein-zelnen und den Gesundheitsinteressen der Allgemeinheit durch unsachgemäße Medikation unabhängig davon drohen, ob sie im Einzelfall wirklich eintreten. Dar-über hinaus soll verhindert werden, dass Kranke und besonders ältere Menschen zu Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und bei der Verwendung an-derer Mittel zur Beseitigung von Krankheiten oder Körperschäden verleitet wer-den (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 I ZR 96/10, GRUR 2012, 647 Rn. 40 = WRP 2012, 705 – INJECTIO). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn durch ein ungeschriebenes Merkmal der berufsrechtlichen Unzulässigkeit der bewor-benen Fernbehandlung gerade die besonders gesundheitsgefährdende Wer-bung durch berufsrechtlich nicht reglementierte Personen außerhalb der freibe-ruflich tätigen Ärzteschaft privilegiert würde (zur Bedeutung des Werbeverbots gemäß § 9 HWG für diese Fälle vgl. Doepner/Reese in BeckOK.HWG aaO § 9 Rn. 5 f.).
(4) Das Berufungsgericht hat zudem mit Recht eine Akzessorietät des in § 9 HWG aF geregelten Werbeverbots zur berufsrechtlichen Unzulässigkeit aus systematischen Gründen verneint. Dem Heilmittelwerbegesetz ist – wie der Blick
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auf das Verbot der Werbung mit Anwendungsgebieten für homöopathische Arz-neimittel gemäß § 5 HWG zeigt – die Fassung eines Werbeverbots als abstrakter Gefährdungstatbestand nicht fremd, um das Ziel eines umfassenden Gesund-heitsschutzes zu erreichen (vgl. BGH, GRUR 2012, 647 Rn. 40 – INJECTIO).
(5) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine einschränkende Ausle-gung des Werbeverbots sei ferner nicht zur Verhinderung eines unverhältnismä-ßigen Eingriffs in die Grundrechte des Werbenden gemäß Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG geboten. Diese Beurteilung lässt angesichts der Bedeutung der bereits dargestellten Gesundheitsgefahren, die mit dem abstrakten Werbeverbot gemäß § 9 HWG aF verhindert werden sollen, keinen Rechtsfehler erkennen (zum abstrakten Gefährdungstatbestand des § 5 HWG vgl. BGH, GRUR 2012, 647 Rn. 40 – INJECTIO). Beim Schutz der Gesundheit der Bevölkerung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, das auch empfindliche Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann (vgl. BVerfGE 78, 179 [juris Rn. 38]; BVerfGE 85, 248 [juris Rn. 60] mwN; BVerfG, NJW 2000, 2736 [juris Rn. 13]). Der Gesundheitsschutz wiegt auch dann schwerer, wenn man berücksichtigt, dass von dem im Streitfall die beklagte Holdinggesellschaft treffenden Werbever-bot mittelbar auch die eine Fernbehandlung durchführenden Ärzte in ihrer Be-rufsausübungsfreiheit betroffen sind. Ob eine solche mittelbare Betroffenheit im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung eines Werbeverbots überhaupt abwägungsrelevant sein kann, kann deshalb auf sich beruhen. Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ohnehin nicht für eine Fernbehandlung durch unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fallende deutsche Ärzte wirbt, sondern die beworbene Fernbehandlung durch in der Schweiz ansässige Ärzte nach den dort geltenden Bestimmungen erbracht werden soll.
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(6) Auch die Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 Abs. 1 und 56 Abs. 1 AEUV gebieten keine einschränkende Auslegung des Wer-beverbots gemäß § 9 HWG. Die Revision macht insoweit geltend, eine extensive Auslegung von § 9 HWG schränke in unzulässiger Weise den freien Dienstleis-tungsverkehr der im Ausland ansässigen Ärzte ein. Gegenstand der konkreten Verletzungsform ist die Werbung eines deutschen Unternehmens für eine Fern-behandlung durch in der Schweiz ansässige Ärzte, so dass die Anwendung uni-onsrechtlicher Grundfreiheiten nicht in Betracht kommt. Aus demselben Grund liegt auch kein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 TMG vor. Streitgegenständlich ist zu-dem die Bewerbung von Fernbehandlungen durch ein in Deutschland ansässiges Unternehmen und nicht die Werbung von in einem anderen Mitgliedstaat der Eu-ropäischen Union ansässigen Ärzten für ihre Dienstleistung.
(7) Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Revision erwähnten Art. 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit-gliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft anderer-seits über die Freizügigkeit (ABl. L 114 vom 30. April 2002, Seite 6 ff.). Ob die in der Schweiz ansässigen und dort auch tätigen Ärzte, deren Dienstleistung Ge-genstand der angegriffenen Werbung ist, in dem durch Art. 5 Abs. 1 des Abkom-mens geregelten Recht auf Erbringung einer Dienstleistung im Hoheitsgebiet ei-nes anderen Vertragsstaates und in den insoweit in den Absätzen 2 bis 4 gere-gelten Rechten auf Einreise und Aufenthalt betroffen sind, bedarf keiner Prüfung. Wie dargelegt, steht vorliegend die Zulässigkeit der Werbung eines deutschen Unternehmens in Deutschland in Rede. Aber selbst, wenn man zu Gunsten der Beklagten eine mittelbare Betroffenheit der in der Schweiz ansässigen und dort die beworbene Fernbehandlung erbringenden Ärzte berücksichtigen wollte, läge kein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach dem Abkommen vor, weil § 9 HWG unterschiedslos für reine Inlandssachverhalte gilt und daher die durch
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Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang I Art. 19 des Abkommens geforderte Gleichbehandlung wahrt.
c) Die angegriffene Werbung der Beklagten verstößt außerdem gegen § 9 HWG nF. Zwar hat das Berufungsgericht den Begriff der „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ im Sinne von § 9 Satz 2 HWG nF nicht zutreffend bestimmt (dazu B II 3 c cc). Es ist jedoch mit Recht davon ausgegangen, dass die Werbung der Beklagten im Streitfall nicht den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 9 Satz 2 HWG entspricht (dazu B II 3 c dd).
aa) Gemäß § 9 Satz 1 HWG alter und neuer Fassung ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu be-handelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung), unzulässig. Nach dem durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz mit Wirkung vom 19. Dezember 2019 eingeführten Satz 2 dieser Bestimmung ist Satz 1 nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikati-onsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erfor-derlich ist.
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Gesetzgeber habe mit dem neu eingeführten Satz 2 des § 9 HWG nF dem Beschluss des 121. Deut-schen Ärztetages Rechnung getragen, mit dem durch § 7 Abs. 4 Muster-Berufs-ordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) die Anpas-sung des ärztlichen Berufsrechts im Sinne einer Liberalisierung der Zulässigkeit von Fernbehandlungen erfolgt sei. Dieser Neuregelung sei zu entnehmen, dass der Grundsatz der ärztlichen Beratung und Behandlung im persönlichen Kontakt
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zwischen Arzt und Patient im Rahmen einer physischen Präsenz des Arztes wei-terhin der „Goldstandard“ ärztlichen Handels sei. Zwar sei in Bezug auf den ein-zelnen Behandlungsfall mit der neuen Regelung eine Beratung und Behandlung ausschließlich aus der Ferne über Kommunikationsmedien erlaubt, um den Pati-enten mit der Fort- und Weiterentwicklung telemedizinischer, digitaler, diagnosti-scher und anderer vergleichbarer Möglichkeiten eine dem anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entsprechende ärztliche Versorgung anbieten zu können. Zu vermeiden seien allerdings telemedizinische Primärarztmodelle. Im Streitfall habe die Beklagte für ein solches digitales Primärversorgungsmodell ge-worben. Gegenstand des beworbenen Modells sei eine ausschließliche Video-konsultation, bei der sich der Arzt von vornherein auf eine verkürzte Wahrneh-mung bei der Anamnese verlassen müsse. Die im Streitfall beworbene Ersetzung des persönlichen Arztbesuchs durch eine digitale Fernbehandlung per digitaler App „von der Diagnose über die Therapieempfehlung bis hin zur Krankschrei-bung“ für nicht näher konkretisierte Behandlungsfälle und -situationen durch in der Schweiz sitzende Ärzte werde in dieser generellen Weise durch den Ausnah-metatbestand des § 9 Satz 2 HWG nF nicht gedeckt. Es könne nicht davon aus-gegangen werden, dass bei Einhaltung allgemein anerkannter fachlicher Stan-dards kein persönlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich sei. Vielmehr erfordere grundsätzlich jeder Krankheitsverdacht nach allgemeinen fachlichen Standards eine Basisuntersuchung, die in der Regel unmittelbar durch Funktionsprüfungen (etwa von Atmung, Kreislauf, Blutdruck) und Besichtigun-gen, Abtasten, Abklopfen und Abhören des Körpers sowie gegebenenfalls der Erhebung weiterer Laborwerte erfolge. Auch für die von der Beklagten bewor-bene Krankschreibung sei ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient erforderlich. Der insoweit geltende fachliche Standard ergebe sich aus § 25
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Satz 1 MBO-Ä und der Wertung von § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Arbeitsunfähig-keitsrichtlinie betreffend gesetzlich Versicherte sowie der Entschließung des 121. Deutschen Ärztetags.
cc) Das Berufungsgericht hat den seiner Beurteilung zugrunde gelegten Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards nicht zutreffend be-stimmt.
(1) Bei der Auslegung des Erlaubnistatbestands gemäß § 9 Satz 2 HWG nF kommt es im Ausgangspunkt auf eine abstrakte, generalisierende Bewertung an, da sich Werbung unabhängig von einer konkreten Behandlungssituation an eine Vielzahl nicht näher individualisierter Personen richtet (vgl. Regierungsent-wurf DVG, BT-Drucks. 19/13438, S. 78; Doepner/Reese in BeckOK.HWG aaO § 9 Rn. 63). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des Ausnahmetatbestands gemäß § 9 Satz 2 HWG der Weiterentwick-lung telemedizinischer Möglichkeiten Rechnung tragen wollte und von der Ein-haltung anerkannter fachlicher Standards bereits dann ausgegangen ist, wenn danach eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist (Regierungsentwurf zum DVG, BT-Drucks. 19/13438, S. 78). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber von ei-nem dynamischen Prozess ausgegangen ist, in dem sich mit dem Fortschritt der technischen Möglichkeiten auch der anerkannte fachliche Standard ändern kann (vgl. Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 8. Aufl., Kap. X Rn. 13; Tillmanns, A&R 2020, 11, 15).
Damit steht die vom Berufungsgericht bei der Auslegung von § 9 Satz 2 HWG zugrunde gelegte Annahme nicht im Einklang, die ärztliche Beratung und Behandlung im persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient in physischer
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Präsenz stelle weiterhin den „Goldstandard“ ärztlichen Handelns dar, es sei zu-dem davon auszugehen, dass grundsätzlich jeder Krankheitsverdacht nach all-gemeinen fachlichen Standards eine Basisuntersuchung erfordere, die im Regel-fall Funktionsprüfungen unter Anwesenheit des Arztes einschließe und es stehe im Fall einer ausschließlichen Fernbehandlung grundsätzlich der Vorwurf einer Vernachlässigung der Befunderhebungspflicht im Raum.
(2) Das Berufungsgericht ist bei seiner Auslegung außerdem von der Neuregelung in § 7 Abs. 4 MBO-Ä ausgegangen und hat damit für die Auslegung des Begriffs der „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ im Sinne von § 9 Satz 2 HWG die Regelungen des ärztlichen Berufsrechts für maßgeblich gehal-ten (ebenso OLG Hamburg, Urteil vom 5. November 2020 – 5 U 175/19, MMR 2021, 336 Rn. 39 [juris Rn. 50]; Doepner/Reese in BeckOK.HWG aaO § 9 HWG Rn. 63). Dies hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Der in § 9 Satz 2 HWG verwendete Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff gemäß § 630a Abs. 2 BGB und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen (vgl. Tillmanns, A&R 2020, 11, 15; zur Anwendung des § 630a Abs. 2 BGB auf die medizinische Fernbehandlung vgl. Eichelberger in Festschrift Harte-Bavendamm, 2020, S. 289, 294 f.; Kaeding, MedR 2019, 288; Katzenmeier, NJW 2019, 1769, 1170 f.). Nach dieser Bestimmung hat die Behandlung im Rahmen eines medizinischen Behandlungsvertrags nach den zum Zeitpunkt der Behand-lung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, so-weit nicht etwas anderes vereinbart ist.
Für eine solche Auslegung des § 9 Satz 2 HWG spricht nicht nur, dass der Wortlaut des § 630a Abs. 2 BGB gleichfalls auf den Begriff der allgemein aner-
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kannten fachlichen Standards abstellt. Auch unter systematischen und teleologi-schen Gesichtspunkten erscheint es sachgerecht, den für die pflichtgemäße Er-füllung der dem Arzt aus dem Behandlungsvertrag erwachsenden Pflichten maß-geblichen Begriff auch für die Frage fruchtbar zu machen, ob diese Pflichten eine Fernbehandlung zulassen und deshalb für eine Fernbehandlung geworben wer-den darf. Zudem ermöglicht ein solcher Gleichklang bei der Auslegung den Rück-griff auf die umfangreiche Rechtsprechung zu § 630a Abs. 2 BGB (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 – VI ZR 106/13, NJW 2015, 1601 Rn. 7 mwN) und dient damit der vorhersehbaren und rechtssicheren Anwendung des Erlaub-nistatbestands gemäß § 9 Satz 2 HWG. Bei der Bestimmung der anerkannten fachlichen Standards können sowohl die Leitlinien medizinischer Fachgesell-schaften als auch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V Berücksichtigung finden (vgl. MünchKomm.BGB/Wagner, 8. Aufl., § 630a Rn. 126; Frahm, NJW 2021, 216 Rn. 7 f. mwN; Regierungsent-wurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patien-ten, BT-Drucks. 17/10488, S. 19). Beispielsweise soll der Gemeinsame Bundes-ausschuss gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V unter anderem Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (Nr. 5) und die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (Nr. 7) beschließen. Mit einer an § 630a Abs. 2 BGB orientierten Auslegung wird damit dem vom Gesetzgeber verfolgten Anlie-gen entsprochen, einen abstrakt-generalisierenden Maßstab für die Zulässigkeit der Werbung für eine Fernbehandlung zugrunde zu legen und zudem mit der Schaffung des § 9 Satz 2 HWG der Weiterentwicklung telemedizinischer Mög-lichkeiten durch die dynamische Ausbildung und Anpassung von Standards Rechnung zu tragen (vgl. Regierungsentwurf zum DVG, BT-Drucks. 19/13438, S. 78; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp aaO Kap. X Rn. 13; Tillmanns, A&R 2020, 11, 15).
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Die in § 7 Abs. 4 MBO-Ä nF getroffene berufsrechtliche Regelung ist da-gegen für die Auslegung von § 9 Satz 2 HWG nicht zielführend. Nach dieser Bestimmung können die Ärztinnen und Ärzte bei der in persönlichem Kontakt zu erbringenden Beratung und Behandlung Kommunikationsmedien zwar unterstüt-zend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommu-nikationsmedien ist jedoch nur im Einzelfall erlaubt und setzt voraus, dass dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumen-tation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonder-heiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsme-dien aufgeklärt wird. Diese Bestimmung enthält eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Anweisung an die behandelnde Person und bietet keinen abstrakt-ge-neralisierenden Maßstab für die Beurteilung von an eine Vielzahl von nicht näher individualisierten Personen gerichteter Werbung (vgl. den Regierungsentwurf zum DVG, BT-Drucks. 19/13438, S. 78). Zudem ist die Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in den einzelnen maßgeblichen Berufsordnungen der Bundesländer nicht einheitlich umgesetzt worden (vgl. den Regierungsentwurf zum DVG, BT-Drucks. 19/13438, S. 78). Auch deshalb kann es im Interesse einer bundesweit einheitlichen Handhabung im Rahmen der Re-gelung des § 9 HWG nicht auf die berufsrechtlich zu treffenden konkreten und individuellen Einzelfallentscheidungen ankommen.
(3) Gegen die vorstehenden Grundsätze spricht nicht, dass eine aus-schließliche Fernbehandlung erst in jüngerer Zeit und dann auch nur im Einzelfall zulässig geworden ist und daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur in wenigen Fällen einschlägige Fernbehandlungsrichtlinien existieren dürften, die den Anfor-derungen an einen anerkannten fachlichen Standard im Sinne von § 630a Abs. 2 BGB entsprechen (vgl. Tillmanns, A&R 2020, 11, 15 f.). Der Gesetzgeber hat mit
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dem von ihm gewählten Maßstab, wonach die fachlichen Standards anerkannt sein müssen, mit Blick auf die von ihm konstatierte dynamische Weiterentwick-lung der telemedizinischen Möglichkeiten sachnotwendig eine gewisse Über-gangszeit in Rechnung gestellt (zu bereits laufenden Modellprojekten vgl. Till-manns, A&R 2020, 11 und 16 mwN). Dies ist angesichts des hohen Schutzguts, das dem grundsätzlichen Werbeverbot im Sinne von § 9 HWG zugrunde liegt (vgl. oben Rn. 41), sachlich gerechtfertigt.
Soweit die Revision geltend macht, solange noch kein fachlicher Standard etabliert sei, müsse es ausreichen, dass für die zu bewerbende Fernbehandlung praktisch relevante Anwendungsfälle bestünden oder solche denkbar seien, was regelmäßig bei einer Erstanamnese von „Alltagsleiden“ wie grippalen Infekten, Verdauungsbeschwerden, Hauterkrankungen usw. anzunehmen sei, kann dem nicht zugestimmt werden. Mit einer solchen Auslegung wird in der Sache auf das vom Gesetzgeber ausdrücklich geforderte, einen angemessenen Gesundheits-schutz des Patienten sicherstellende Tatbestandsmerkmal verzichtet, wonach „anerkannte Standards“ für die Frage maßgeblich sein sollen, ob eine Fernbe-handlung beworben werden darf. Die von der Revision vertretene Auslegung ist auch nicht sachgerecht. Bereits der Begriff des „Alltagsleidens“ ist schillernd und lässt ohne weitere Konkretisierung etwa durch die Aufstellung von Leitlinien me-dizinischer Fachgesellschaften oder Richtlinien des Gemeinsamen Bundesaus-schusses, einen hinreichend tragfähigen medizinischen Bezug zu der Frage ver-missen, ob ein solches Leiden allein mithilfe von Kommunikationsmitteln diag-nostiziert und behandelt werden kann oder ob der Arzt darüber hinaus auch wei-tere Sinneseindrücke wie Abtasten oder Abhorchen benötigt, um beispielsweise einen grippalen Infekt von einer Covid-19-Infektion, ein Verdauungsproblem von einem Blinddarmdurchbruch oder eine Hautreizung von Hautkrebs zu unterschei-den.
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(4) Da es mithin für die Auslegung von § 9 Satz 2 HWG nicht auf berufs-rechtliche Bestimmungen ankommt, ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht der Umstand maßgeblich, dass nach dem Vorbringen der Beklagten die beworbene Fernbehandlung nach schweizerischem ärztlichem Berufsrecht zu-lässig ist. Aus dem gleichen Grund folgt aus der Zulässigkeit einer Fernbehand-lung nach deutschem ärztlichen Berufsrecht nicht, dass dafür gemäß § 9 Satz 2 HWG auch geworben werden darf.
dd) Das Berufungsgericht ist allerdings im Ergebnis zutreffend davon aus-gegangen, dass die Werbung der Beklagten im Streitfall nicht den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 9 Satz 2 HWG entspricht (§ 561 ZPO).
(1) Die Beantwortung der für § 9 Satz 2 HWG maßgeblichen Frage, für welche Fernbehandlungen geworben wurde, hängt davon ab, welchen Inhalt der angesprochene Verkehr der in Rede stehenden Werbung entnimmt. Die Ver-kehrsanschauung ist durch das Tatgericht zu beurteilen; seine Würdigung ist nach den allgemeinen Grundsätzen vom Revisionsgericht überprüfbar. Danach ist maßgeblich, ob das Tatgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zu-grunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, Ur-teil vom 7. Oktober 2020 – I ZR 137/19, GRUR 2021, 473 Rn. 21 = WRP 2021, 196 – Papierspender; Urteil vom 27. Mai 2021 I ZR 119/20, GRUR 2021, 1286 Rn. 17 = WRP 2021, 1309 – Lautsprecherfoto).
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe ein um-fassendes, nicht auf bestimmte Krankheitsbilder eingeschränktes digitales Pri-märversorgungsmodell beworben. Auf der Internetseite werde mit einer aus-schließlichen Videokonsultation alternativ zum traditionellen Arztbesuch mit dem
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Umfang einer kompletten ärztlichen Versorgung, nämlich für Diagnosen, Thera-pieempfehlungen und Krankschreibungen mittels einer App geworben. Zwar werde dem von der Werbung angesprochenen potenziellen Patienten grundsätz-lich bewusst sein, dass im Wege einer Fernbehandlung in tatsächlicher Hinsicht nur begrenzte Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten des Arztes bestünden, also je nach Krankheitsbild weitergehende Untersuchungen und ärztliche Ein-griffe erforderlich sein könnten. In der streitgegenständlichen Werbung komme aber nicht zum Ausdruck, dass auch im Rahmen dieser tatsächlich eingeschränk-ten Möglichkeiten eine Werbung für Fernbehandlungen nicht generell zulässig sei, sondern nur unter der Voraussetzung, dass bei Einhaltung allgemein aner-kannter Standards kein persönlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Men-schen erforderlich sei. Diese tatgerichtliche Würdigung hält der rechtlichen Nach-prüfung stand.
Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass der angesprochene Verkehr in Rechnung stellt, dass je nach Krankheitsbild weitergehende Untersuchungen erforderlich sein könnten. Mit ihrem außerdem erhobenen Einwand, der Verkehr werde die Werbung entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts dahin verstehen, dass sich die angebotene Fernbehand-lung nur auf allgemeine medizinische Probleme bzw. auf bestimmte Fälle be-ziehe, in denen eine Fernkonsultation auch medizinisch möglich und vertretbar sei, legt die Revision keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dar, sondern setzt nur ihre eigene Bewertung an die Stelle der tatgerichtlichen Beurteilung. Zudem berücksichtigt die Revision nicht, dass bei gesundheitsbezogener Wer-bung besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen sind, da mit irreführenden gesundheitsbe-zogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 3. Mai 2001
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– I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 185 [juris Rn. 44] = WRP 2002, 74 – Das Beste jeden Morgen; Urteil vom 6. Februar 2013 – I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 Rn. 15 = WRP 2013, 772 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Urteil vom 11. Februar 2021 – I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 Rn. 32 = WRP 2021, 604 – Dr. Z; zum für die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben geltenden Strengeprinzip vgl. auch BGH, Urteil vom 5. November 2020 – I ZR 204/19, GRUR 2021, 513 Rn. 17 = WRP 2021, 327 – Sinupret). Diese Grundsätze gelten mit Blick auf die hohe Wertigkeit der durch § 9 HWG geschützten Gesundheitsinteressen auch für die Beurteilung einer Werbung für Fernbehandlungen im Sinne von Satz 2 dieser Vorschrift.
(2) Auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegen-ständliche Werbung nicht auf Fernbehandlungen begrenzt ist, für die nach allge-meinen fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu be-handelnden Menschen nicht erforderlich ist.
Wie dargelegt wurde (dazu Rn. 53 f.), richtet sich die Beurteilung des Vor-liegens eines anerkannten fachlichen Standards nach den für § 630a Abs. 2 BGB maßgeblichen Grundsätzen. Danach gibt ein fachlicher Standard Auskunft dar-über, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fach-bereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztli-chen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH, NJW 2015, 1601 Rn. 7 mwN). Bei der Bestimmung des anerkannten fachlichen Standards sind die Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften und die Richtlinien des Gemeinsamen Bun-desausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V zu berücksichtigen. Weiterhin können
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sich fachliche Standards auch unabhängig davon bilden (zu den Einschätzungen der Bewertungsausschüsse gemäß § 87 SGB-V vgl. Kuhn/Hesse, GesR 2017, 221, 224; Tillmanns, A&R 2020, 11, 15). Die Ermittlung des jeweils maßgeblichen Standards ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts (BGH, Urteil vom 27. März 2007 – VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 17; Urteil vom 15. April 2014 – VI ZR 382/12, NJW-RR 2014, 1053 Rn. 13; BGH, NJW 2015, 1601 Rn. 8), das gegebenenfalls einen Sachverständigen hinzuzuziehen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 – VI ZR 305/15, NJW 2016, 3785 Rn. 13; Beschluss vom 8. No-vember 2016 – VI ZR 512/15, VersR 2017, 316 Rn. 12).
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die von der Beklagten beworbene umfassende Fernbehandlung nach diesen Grund-sätzen den allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Dass es dabei Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten unberücksichtigt ge-lassen hat, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht geltend ge-macht.
4. Im vorliegenden Revisionsverfahren kann eine Verurteilung der Beklag-ten mit Bezug auf die konkret beanstandete Internetwerbung aufrechterhalten bleiben, ohne dass es einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht erforderlich, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst beurteilen kann, dass die Voraussetzungen des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsan-spruchs mit Blick auf die zur Überprüfung gestellte konkrete Werbung vorliegen, und weiterer Sachvortrag der Parteien hierzu nicht zu erwarten ist.
III. Das Berufungsgericht ist ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG Erstattung der Abmahnkosten verlangen kann. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es
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auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 13 und 32 bis 34 = WRP 2021, 746 – Berechtigte Gegenabmahnung, mwN). Nach Erlass des Be-rufungsurteils ist die Regelung über den Ersatz von Abmahnkosten in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG mit Wirkung ab dem 2. Dezember 2020 durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I 2020, S. 2568) geändert worden. Der Anspruch richtet sich daher nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der bis zum 1. De-zember 2020 geltenden Fassung. Danach kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Das ist hier der Fall, da das abgemahnte Verhalten der Beklagten sich zu diesem Zeit-punkt aus den oben angeführten Gründen (B II 3 b) als unzulässig darstellte. Die im Streitfall geltend gemachte Erstattung der Abmahnkostenpauschale des kla-genden Verbands ist auch dann in voller Höhe geschuldet, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt war (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 51 = WRP 2010, 1023 – Sondernewsletter; Be-schluss vom 25. Juni 2019 – I ZR 91/18, juris Rn. 10 mwN; Sosnitza in Ohly/Sos-nitza, UWG, 7. Aufl., § 12 Rn. 23; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13 Rn. 122). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Abmah-nung über die konkrete Verletzungsform hinausging.
IV. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 – Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Ok-tober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 – C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 33, 36 und 39 bis 49 – Consor-zio Italian Management und Catania Multiservizi, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei
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zu beantworten ist. Aus der Entscheidung des Gerichtshofs „DocMorris NV/Apo-thekerkammer Nordrhein“ ergibt sich, dass die hier streitgegenständliche Wer-bung für eine ärztliche Fernbehandlung zweifelsfrei nicht in den Anwendungsbe-reich der für Arzneimittelwerbung maßgeblichen Bestimmung der Richtlinie 2001/83/EG fällt (vgl. Rn. 36).
C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise aufzuheben und ins-gesamt dahin neu zu fassen, dass das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten in der Weise abgeändert wird, dass im Tenor des Urteils unter Ziffer I das Wort „insbesondere“ entfällt und der weitergehende Unterlassungs-antrag abgewiesen wird.

Die für Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich auf identische Verletzungshandlungen

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