a) Für eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aufgrund der Annahme li-zenzvertraglicher Beziehungen sind über eine fast identische Nachahmung hinausgehende Hinweise auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen erfor-derlich.
b) Eine Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG kommt beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse einer Mitbewerberin in Be-tracht.
BGH URTEIL I ZR 71/17 vom 20. September 2018 – Industrienähmaschinen
UWG §§ 3, 4 Nr. 3 und 4, § 8 Abs. 1 Satz 1
a) Für eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aufgrund der Annahme li-zenzvertraglicher Beziehungen sind über eine fast identische Nachahmung hinausgehende Hinweise auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen erfor-derlich.
b) Eine Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG kommt beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse einer Mitbewerberin in Be-tracht.
BGH, Urteil vom 20. September 2018 – I ZR 71/17 – OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 20. September 2018 durch …
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2016 auf-gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das auch Industrienäh-maschinen herstellt. Die Beklagte ist ein in C. ansässiges Unternehmen, das ebenfalls Industrienähmaschinen herstellt und seine Produkte im Juni 2013 auf der internationalen Messe „Texprocess 2013“ in Frankfurt am Main ausstell-te. In dem am Messestand der Beklagten ausliegenden Katalog wurden fünf Modelle dargestellt, die im Hinblick auf Aussehen, technische Leistungsdaten und – bei zwei Modellen – Bedienungsanleitung mit Modellen der Klägerin fast identisch waren. Sowohl der Messestand als auch die in den Prospekten abge-bildeten Nähmaschinen waren jeweils klar erkennbar mit dem Zeichen „S. “ versehen.
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Die Klägerin wendet sich gegen die Nachahmung ihrer Modelle und hat neben Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung beantragt,
der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland
a. Industrienähmaschinen wie in Anlage K 16 abgebildet und/oder
b. Industrienähmaschinen wie in Anlage K 18 und K 18a abgebildet und/oder
c. Industrienähmaschinen wie in Anlage K 19 abgebildet und/oder
d. Industrienähmaschinen wie in Anlage K 21 und K 21a abgebildet und/oder
e. Industrienähmaschinen wie in Anlage K 24 abgebildet
jeweils unabhängig von Vorhandensein, Farbe und Beschriftung der in Anlagen K 16, K 18, K 18a, K 19, K 21, K 21a und K 24 wiedergegebenen Markenembleme in Form von Plaketten mit der Beschriftung „S. “ bzw. in Form der Beschrif- tung „S. „,
insbesondere jedoch bei Vorhandensein dieser Markenembleme in Form von Pla-ketten mit der Beschriftung „S. “ bzw. in Form der Beschriftung „S. „,
anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurück-weisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nach-ahmungsschutz sowie wegen gezielter Behinderung der Klägerin verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das Angebot der beanstandeten Maschinen sei ausschließlich an das auf der Fachmesse anwesende Fachpublikum gerichtet gewesen. Die Maschinen, die Prospekte und der Messestand seien deutlich sichtbar mit dem Zeichen der
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Beklagten „S. “ versehen gewesen. Eine solche offene Nachahmung rufe in der Regel keine unmittelbare Herkunftstäuschung hervor. Für eine mit-telbare Herkunftstäuschung lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. We-gen der konkreten Umstände bestehe auch nicht die Gefahr, dass der ange-sprochene Verkehr die Qualitätserwartungen, die er mit den Maschinen der Klägerin verbinde, auf die von der Beklagten auf dem Messestand angebotenen Nachahmungen übertrage. Eine gezielte Behinderung sei nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte durch die Nachahmungen Kosten erspart oder einen sonstigen Wettbewerbsvorteil erzielt habe.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Er-folg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche nicht verneint werden. Die Annahme des Beru-fungsgerichts, der Klägerin stünden Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG (§ 4 Nr. 9 UWG aF) nicht zu, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand (dazu B II). Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) abgelehnt hat, weist ebenfalls Rechts-fehler auf (dazu B III).
I. Für den von der Klägerin auf Wiederholungsgefahr gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützten Unterlassungsanspruch muss die beanstandete Hand-lung sowohl im Zeitpunkt ihrer Vornahme als auch im Zeitpunkt der Entschei-dung in der Revisionsinstanz rechtswidrig sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2018 – I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rn. 11 = WRP 2018, 835 – Ver-kürzter Versorgungsweg II, mwN). Nach der von der Klägerin beanstandeten Verletzungshandlung vom 10. Juni 2013 ist das Lauterkeitsrecht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 2. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2158) novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung
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der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht. Der bisher in § 4 Nr. 9 Buchst. a bis c UWG aF geregelte lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz findet sich nun-mehr ohne inhaltliche Änderung in der Bestimmung des § 4 Nr. 3 Buchst. a bis c UWG (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2017 – I ZR 91/16, GRUR 2018, 311 Rn. 11 = WRP 2018, 332 – Handfugenpistole, mwN). Auch der früher in § 4 Nr. 10 UWG aF geregelte Tatbestand der gezielten Mitbewerberbehinderung, der jetzt in § 4 Nr. 4 UWG geregelt ist, hat keine inhaltliche Änderung erfahren (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 – I ZR 210/16, GRUR 2018, 317 Rn. 10 = WRP 2018, 324 Portierungsauftrag).
II. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stünden keine An-sprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz zu, hält der revisions-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des lauterkeits-rechtlichen Nachahmungsschutzes unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG nicht vorliegt (dazu B II 1). Mit der Begründung des Berufungsgerichts können Ansprüche wegen einer un-angemessenen Ausnutzung der Wertschätzung der von der Klägerin angebote-nen Industrienähmaschinen im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG aber nicht verneint werden (dazu B II 2).
1. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen die Grundsätze des lau-terkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes unter dem Gesichtspunkt einer ver-meidbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG verneint. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, den Maschinen der Klägerin komme wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zu. Es liege auch eine fast identische Nachahmung vor. Die Maschinen in den Pros-pekten seien aber ebenso wie der Messestand klar erkennbar mit dem Zeichen
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„S. “ versehen gewesen. Zwar werde allein eine deutlich abweichende Kennzeichnung in vielen Fällen nicht ausreichen, um der Gefahr einer Her-kunftstäuschung vollständig entgegenzuwirken. Hier bestehe der angesproche-ne Verkehr allerdings aus dem engen Fachkreis der Anwender von Industrie-nähmaschinen. Soweit diese von der Maschinenform auf die Klägerin als Her-stellerin schließen sollten, wüssten sie, dass diese durchgängig ihre Hersteller-marke „B. “ verwende. Die Gestaltung des Messestands der Beklagten schließe auch die Erwartung aus, die Klägerin biete ihre Maschinen unter einer Zweitmarke an. Eine solche offene Nachahmung rufe in der Regel keine unmit-telbare Herkunftstäuschung hervor. Für eine mittelbare Herkunftstäuschung bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Diese Beurteilung hält revisions-rechtlicher Nachprüfung stand.
b) Das Angebot einer Nachahmung durch einen Mitbewerber kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wett-bewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidba-re Täuschung über die betriebliche Herkunft (Buchst. a) oder eine unangemes-sene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (Buchst. b) – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwir-kung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Um-stände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umge-kehrt (vgl. BGH, GRUR 2018, 311 Rn. 13 Handfugenpistole, mwN).
c) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sind die Parteien Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Die Maschinen der Klägerin ver-fügen danach auch über wettbewerbliche Eigenart sowie eine gewisse Ver-kehrsbekanntheit und die Maschinen der Beklagten stellen fast identische
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Nachahmungen der Maschinen der Klägerin dar. Dagegen wendet sich die Re-vision als für sie günstig nicht; die Revisionserwiderung erhebt keine Gegenrü-gen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
d) Zutreffend hat das Berufungsgericht in der Messepräsentation der Be-klagten ein Anbieten der Industrienähmaschinen im Inland gesehen. Zwar gibt es keinen Erfahrungssatz, dass die Ausstellung eines Produkts auf einer Messe im Inland die Besucher stets zum Erwerb dieses Produkts im Inland anregen soll (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – I ZR 133/13, GRUR 2015, 603 Rn. 21 bis 24 = WRP 2015, 717 – Keksstangen; Urteil vom 23. Februar 2017 I ZR 92/16, GRUR 2017, 793 Rn. 25 = WRP 2017, 956 – Mart-Stam-Stuhl). Die Beklagte ist aber über eine bloße Präsentation hinausgegangen. Das Land-gericht, auf dessen Feststellungen sich das Berufungsgericht bezogen hat, hat festgestellt, ein Mitarbeiter der Beklagten habe dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Messestand auf dessen ausdrückliche Nachfrage mitgeteilt, dass alle im Katalog dargestellten Industrienähmaschinen auf Bestellung auch nach Deutschland geliefert würden.
e) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG nicht gegeben ist. Dagegen wendet sich die Re-vision ohne Erfolg.
aa) Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistun-gen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Her-kunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Her-
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kunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise anneh-men, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Her-kunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachah-mung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatori-schen – wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen – Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2009 I ZR 144/06, GRUR 2009, 1069 Rn. 15 = WRP 2009, 1374 – Knoblauchwürste, mwN).
bb) Für die Beurteilung der Frage der Herkunftstäuschung hat das Beru-fungsgericht auf den engen Fachkreis der Anwender von Industrienähmaschi-nen und deren Marktkenntnisse abgestellt. Das wird von der Revision nicht be-anstandet und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
cc) Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Annahme des Beru-fungsgerichts, eine unmittelbare Herkunftstäuschung liege nicht vor. Rechtsfeh-ler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
dd) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, eine mittelbare Herkunftstäu-schung könne mit Blick auf das Fachpublikum auf der Messe nicht verneint werden.
(1) Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe die seiner Würdigung zugrunde liegenden Feststellungen nicht aufgrund eigener Sach-kunde treffen können. Auch wenn seine Mitglieder nicht zum engen Fachkreis der Anwender von Industrienähmaschinen gehören, konnte das Berufungsge-richt die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise aufgrund eigener Sachkunde feststellen. Gehören die Mitglieder des Tatgerichts nicht zu den angesproche-nen Verkehrskreisen, können sie die Sichtweise der angesprochenen Fachkrei-
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se aufgrund eigenen Erfahrungswissens beurteilen, wenn dafür keine besonde-ren Kenntnisse oder Erfahrungen erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 21/12, GRUR 2013, 1052 Rn. 29 = WRP 2013, 1339 – Einkaufswa-gen III; Urteil vom 15. Dezember 2016 – I ZR 197/15, GRUR 2017, 734 Rn. 58 = WRP 2017, 792 – Bodendübel, mwN). Das Berufungsgericht hat bei seiner Be-urteilung der Herkunftstäuschung nicht auf Umstände abgestellt, die allein von Anwendern von Industrienähmaschinen beurteilt werden können. Es hat ange-nommen, eine Herkunftstäuschung sei ausgeschlossen, weil sowohl der Mes-sestand als auch der Katalog sowie die in den Katalogen abgebildeten In-dustrienähmaschinen der Beklagten unübersehbar mit dem Zeichen „S. “ versehen gewesen seien. Die Feststellung, eine so deutliche Kennzeichnung könne dem Fachpublikum, das regelmäßig über genauere Kenntnisse der im Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Her-kunft verfügt als das allgemeine Publikum (vgl. BGH, GRUR 2015, 603 Rn. 36 Keksstangen), nicht entgehen, erfordert keine besondere Sachkunde. Ent-sprechendes gilt für die Annahme, der angesprochene Verkehr sehe in einer solchen Kennzeichnung einen Hinweis auf den unter dem Unternehmenskenn-zeichen „S. “ firmierenden Hersteller der angebotenen Industrienähma- schinen. Aus der Gestaltung des Messestands ergibt sich, dass es sich bei die-sem Zeichen nicht nur um eine Marke, sondern (auch) um ein Unternehmens-kennzeichen handelt.
(2) Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass aus Sicht der angesprochenen Fachkreise aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen Umstände des Einzelfalls hinreichende An-haltspunkte für die Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien bestünden. Der Fachkreis der Anwender von Industrienähmaschinen nimmt aufgrund der deutlichen Herstellerangabe „S. “ in den Prospek- ten sowie am Messestand der Beklagten nicht an, die Industrienähmaschinen der Beklagten stammten aus dem Unternehmen der Klägerin oder es bestün-
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den Lizenzverbindungen zwischen den Parteien (vgl. BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 37 – Einkaufswagen III). Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Re-vision nicht aus der nahezu vollständigen Übereinstimmung der Modelle der Beklagten mit denen der Klägerin, den Unterschieden zu den Konkurrenzmo-dellen anderer Wettbewerber, der Anzahl der nachgeahmten Modelle, den übernommenen Bedienungsanleitungen und dem Umstand, dass eine von der Klägerin nicht mehr hergestellte Maschine angeboten worden ist. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, weshalb das Fachpubli-kum trotz der deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit dem Herstellerkenn-zeichen der Beklagten annehmen müsste, die Produkte seien von der Beklag-ten unter Lizenz der Klägerin hergestellt worden. Es fehlt an über die fast iden-tische Nachahmung hinausgehenden Hinweisen auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen. Ein solcher Hinweis könnte beispielsweise darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 Rn. 36 = WRP 2007 1455 Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag ver-bunden waren.
2. Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Be-rufungsgericht eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung der Pro-dukte der Klägerin im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG verneint hat.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, es bestehe nicht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die Qualitätserwartungen, die er mit den Ma-schinen der Klägerin verbinde, auf die von der Beklagten auf dem Messestand angebotenen Nachahmungen übertrage. Die an Industrienähmaschinen inte-ressierten Fachkreise ließen sich von der äußeren Übereinstimmung der Ma-schinen nicht in der Weise beeindrucken, dass sie allein wegen der Erwartung vergleichbarer Qualität einen Erwerb der Erzeugnisse der Beklagten in Betracht zögen. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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b) Nach § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistun-gen eines Mitbewerbers sind, wenn er die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Eine unlautere Rufausnutzung kann nicht nur auf einer Täuschung der angespro-chenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Nachahmung, son-dern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine er-kennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. b Fall 1 UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist im Wege einer Gesamtwürdi-gung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbe-sondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annähe-rung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gü-tevorstellung führen. Bei einer identischen Nachahmung gilt insofern ein stren-ger Maßstab (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 I ZR 107/13, GRUR 2015, 909 Rn. 40 = WRP 2015, 1090 – Exzenterzähne; BGH, GRUR 2017, 734 Rn. 66 – Bodendübel). Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn le-diglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit er-weckt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 I ZR 30/02, BGHZ 161, 204, 214 f. [juris Rn. 35] – Klemmbausteine III; BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 38 Einkaufswagen III).
c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine unlautere Rufausnutzung liege nicht vor, hält den Angriffen der Revision nicht stand.
aa) Die Revision rügt mit Recht, die Begründung des Berufungsgerichts sei in sich widersprüchlich. Das Berufungsgericht stellt zunächst fest, es beste-he nicht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die Qualitätserwartun-
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gen, die er mit den Maschinen der Klägerin verbinde, auf die Nachahmungen der Beklagten übertrage. Im nächsten Satz führt es dagegen aus, dass sich das Fachpublikum von der äußeren Übereinstimmung der Maschinen nicht in der Weise beeindrucken lasse, dass es allein wegen der Erwartung vergleichbarer Qualität einen Erwerb der Erzeugnisse der Beklagten in Betracht zöge. Danach ist unklar, ob das Berufungsgericht für seine Beurteilung von einer Übertragung der Qualitätserwartungen durch das Fachpublikum ausgegangen ist oder nicht.
bb) Darüber hinaus fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts, an-hand deren beurteilt werden könnte, ob eine unangemessene Rufausnutzung vorliegt. Das Berufungsgericht hat weder eine Gesamtwürdigung angestellt noch überhaupt hinreichende Feststellungen zu den relevanten Umständen des Einzelfalls getroffen, die für eine solche Gesamtwürdigung notwendig sind. Was den Grad der Anlehnung betrifft, geht das Berufungsgericht zwar in anderem Zusammenhang von einer fast identischen Nachahmung aus. Es fehlt aber an Feststellungen zur Stärke des Rufs der nachgeahmten Produkte der Klägerin.
III. Die Revision hat auch insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG verneint hat.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, allein der Umstand, dass die Beklagte mehrere Maschinen der Klägerin nachgeahmt habe, begründe den Vorwurf der gezielten Behinderung nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass die Be-klagte hierdurch Kosten erspart oder einen sonstigen Wettbewerbsvorteil erzielt habe. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2. Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behin-dert. Eine wettbewerbsrechtlich relevante Behinderung setzt voraus, dass die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgehend eingeschränkt werden
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und zusätzlich bestimmte Unlauterkeitsmerkmale vorliegen. Unlauter ist die Be-einträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewer-ber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leis-tung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls beurteilen (vgl. BGH, GRUR 2018, 317 Rn. 12 – Portierungsauftrag, mwN).
3. Danach ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht frei von Rechts-fehlern.
a) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die bloße Nachahmung für sich alleine den Tatbestand des § 4 Nr. 4 UWG nicht erfüllt, sondern zusätzliche Unlauterkeitsmerkmale erforderlich sind. Auch der Umstand, dass die Mitbewerberin infolge der Vermarktung des nachgeahmten Produkts die Preise senken muss, reicht für sich genommen nicht für die An-nahme einer gezielten Behinderung aus; eine solche Preissenkung kann die Folge eines wettbewerbsrechtlich erwünschten lauteren Wettbewerbs sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2016 I ZR 58/14, BGHZ 210, 144 Rn. 82 – Segment-struktur).
b) Das Berufungsgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass eine Behinde-rung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse eines Mitbewerbers in Betracht kommt. In einem sol-chen Fall können ein zielbewusstes Anhängen an eine Vielzahl von Produkten eines Mitbewerbers, die freie Wählbarkeit einer Fülle von Gestaltungselemen-ten und die aufgrund der Ersparung kostspieliger, eigener Entwicklungsarbeit mögliche erhebliche Preisunterbietung in Verbindung mit den daraus erzielten Wettbewerbsvorteilen den Vorwurf der Unlauterkeit begründen (zu § 4 Nr. 9
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UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 – I ZR 289/99, GRUR 2002, 820, 823 [juris Rn. 56] = WRP 2002, 1054 – Bremszangen, mwN; vgl. auch BGHZ 210, 144 Rn. 78 f. – Segmentstruktur). In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist der Grad der wettbewerblichen Eigenart ebenso wie der Grad der Nachah-mung einzubeziehen. Diesen Maßstäben wird das Urteil des Berufungsgerichts nicht gerecht.
Das Berufungsgericht hat die Vielzahl der Nachahmungen nicht berück-sichtigt und überdies ohne Begründung und in Widerspruch zum Sachvortrag der Klägerin eine Kostenersparnis oder einen sonstigen Wettbewerbsvorteil seitens der Beklagten verneint. Die Klägerin hat nicht nur zu ihren Entwick-lungskosten substantiiert vorgetragen, sondern auch dazu, dass die Beklagte, indem sie diesen Aufwand durch die Nachahmung eingespart hat, ihre Produkte wesentlich günstiger anbieten kann. Die Beklagte, die insoweit eine sekundäre Darlegungslast trifft, hat zu ihren eigenen Entwicklungskosten nicht substantiiert Stellung genommen.
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IV. Das angegriffene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neu-en Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die gebotene Gesamtschau sowohl im Rahmen von § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG als auch im Rahmen von § 4 Nr. 4 UWG bedarf einer er-neuten Würdigung durch das Tatgericht.